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Berliner NotizenBerliner NotizenBerliner Notizen

März 2006 (Druckversion)

 

Berlin, Berlin – Berlin?

„Neukölln ist New York.“
Detlev Buck, Filmregisseur

„Es gibt keinen schöneren Platz in Berlin als die Brücke, die vom Bahnhof Friedrichstraße über die Spree zum Schiffbauerdamm führt. Nirgendwo versprüht die Stadt, die so gerne Metropole wäre, ihren spröden Charme so intensiv. Nirgendwo ist Berlin mehr New York als in dieser ewig unfertig wirkenden Fußgängerüberführung, auf der man sich zwischen Stahlträgern und zum Gedröhn der S-Bahn den Weg über den Fluss sucht. Manchmal spielt ein Russe Saxofon gegen den Lärm der rumpelnden Züge an, manchmal eine Russin Akkordeon. Und da ist Berlin dann auf einmal nicht mehr New York, sondern Moskau, denn schließlich ist das hier der Osten, und der Osten ist gut, weil er schroff ist und Lieblichkeit sich nicht eignet für eine Stadt, die doch Metropole werden will.“
Axel Vornbäumen im „Tagesspiegel am Sonntag“ vom 5. März 2006

„An ein Detail ihrer Recherche rund um die Mulackstraße erinnert sie sich besonders gut: ‚Da habe ich 1992 eine Nacht im Karl-Liebknecht-Haus am Rosa-Luxemburg-Platz verbracht, bei der PDS. Der Pressesprecher hat mich eingeladen, Hanno Harnisch, der jetzt in Wolf Biermanns Wohnung lebt.‘ Seltsam sei das gewesen, das Haus habe nach Osten gerochen, die Möbel aber nach Westen – nach Ikea.“
Die „Süddeutsche Zeitung“ vom 9. März 2006 in einem Porträt über die Berliner Krimischriftstellerin Pieke Biermann

„Wenn in Berlin irgendwas noch einigermaßen funktioniert, dann doch wohl die öffentlichen Verkehrsmittel. Die sind zwar scheißteuer, aber man kann sich wenigstens darauf verlassen, relativ flott durch die Stadt zu kommen.“
Nora Tschirner, Schauspielerin

„Wir stehen auf dem Platz und wollen die Spiele gewinnen.“
Yildiray Bastürk, Spieler von Hertha Berlin

„Erster Schritt ist, mal wieder ein Spiel zu gewinnen.“
Dieter Hoeneß, Manager von Hertha BSC, über Trainer Falko Götz

„Im Olympiastadion wird das Recht auf freie Meinungsäußerung außer Kraft gesetzt. Der Ordnungsdienst nimmt den Fans selbst harmlose Spruchbänder ab, ebenso Flugblätter. Viele befürchten, dass es für die Kritiker sogar Stadionverbote gibt.“
Marco Wurzbacher, der das Internet-Fan-Forum Hertha-inside betreute. Der Bundesligist entzog ihm das Logo.

Wir können „nur Fans gebrauchen, die den Verein unterstützen, die anderen werden ausgegrenzt“.
Hans-Georg Felder, Pressesprecher von Hertha Berlin

„Fans lassen sich nicht abschalten.“
Spruchband von Hertha-Fans am 11. März im Bremer Weser-Stadion

„Hoeneß‘ Fehler legendär – Schuld sind andere, nur nicht er.“
Transparent in der Ostkurve des Olympiastadions beim Heimspiel Hertha gegen Bielefeld

„Berliner sollen noch netter werden.“
„Der Tagesspiegel“ vom 8. März 2006. Und das war ernst gemeint.

„Ich vermisse Berlin, meine Freunde, meinen Lebensstandard. Das Leben in Deutschland ist viel sicherer. Ich hatte viel mehr Zeit. Mehr soziale Kontakte. Hier geht es nur ums Geld. Ums Überleben.“
Alev Karatas, türkische Soziologin aus Kreuzberg, die sich wegen Arbeitslosigkeit eine Tätigkeit in Istanbul suchte. „Berliner Zeitung“ vom 15. März 2006.

„Berlin ist ja eine eckige Stadt. Nichts zum Knuddeln und schnellen Liebhaben. Darum mag ich sie so. Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets, zu viel Schönheit vertrage ich nicht.
In Schöneberg gibt’s zum Glück reichlich raue Ecken. Eine der hässlichsten liegt an der Martin-Luther-/Motzstraße. Dort steht ein Wohnblock im reinsten 70er-Jahre-Beige und -Braun, mit Satellitenschüsseln garniert. Früher war unten drin ein Jugoslawe, der nannte sich im Zuge des politischen Wandels irgendwann ‚international‘.“
Susanne Kippenberger im „Tagesspiegel“ vom 21. März 2006

„Wer hat das Zeugs zum Hauptstädter ?“, fragte die „Berliner Zeitung“ am 27. März und veröffentlichte einen Fragebogen mit 100 Fragen als Ironie auf die hessischen Vorgaben, wer Deutscher werden dürfe. Zehn von Hundert:

7. In welchem Bezirk werden die meisten Kinder geboren?
18. Wann flogen ‚Rosinenbomber‘ nach West-Berlin – und was brachten sie mit?
32. Welches Ministerium hat heute sein Büro dort, wo 1944 die Hitler-Attentäter um Claus Graf Schenk von Stauffenberg hingerichtet wurden?
41. Bilden sie einen Satz aus Worten ‚Landowsky, Bankgesellschaft und Aubis‘!
44. Warum heißt Eisbein Eisbein?
53. Wo kann man an der Spree in sauberem Wasser baden?
57. Welches Berliner Revuetheater wurde 1867 ursprünglich als Markthalle eröffnet?
62. Bei welchem Straßenumzug tanzen selbstbewusste Frauen zu Sambamusik durch Kreuzberg?
83. Wo fahren Wilmersdorfer Witwen noch immer mit der U-Bahn?
85. Wo kann man noch heute sehen, was Konrad Zuse 1936 erfand?

An den Antworten knackten auch Berliner Politiker. Sie sind:

7. Absolut gesehen ist Pankow der geburtenreichste Bezirk Berlins …
18. Die „Rosinenbomber“ der West-Alliierten flogen vom 24.6.1948 bis zum 12.5.1949 als so genannte Luftbrücke nach Berlin. Sie versorgten den Westteil während der Blockade durch die Sowjets mit allem Lebensnotwendigen. Vor allem US-Besatzungen warfen oft vor der Landung Süßigkeiten an kleinen Fallschirmchen an Kinder ab. Außerdem hatten sie Trockenfrüchte an Bord. Daher der Name Rosinenbomber.
32. Das Verteidigungsministerium …
41. Die Millionenkredite an das Immobilienunternehmen Aubis, vergeben vom damaligen Berlin-Hyp-Chef und CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, führten schließlich mit zu der Krise der Berliner Bankgesellschaft, dem Mutterkonzern der BerlinHyp.
44. Aus den Eisbein-Knochen wurden früher Kufen für Schlittschuhe gefertigt.
53. Im Badeschiff der Arena Treptow, das in der Spree liegt, kann in sauberem Wasser geschwommen werden.
57. Das Revuetheater Friedrichstadtpalast …
62. Beim Karneval der Kulturen wird zu Samba durch Kreuzberg getanzt.
83. Im Musical ‚Linie 1‘ fahren Wilmersdorfer Witwen noch immer im Grips-Theater U-Bahn.
85. Im Technikmuseum kann man den ersten von Konrad Zuse entwickelten Computer Z 1 anschauen.

„Kurz und gut: Die rbb-Abendschau ist die reine Wahrheit. Sie zeigt das großartige Berlin, so beeindruckend provinziell, langsam und beige wie es ist.“
zitty Nr. 7/2006

 

Zu guter Letzt

Es ist Dienstag, 14. März. Vor dem Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung rollen kaum hörbar zwei schwarze großvolumige Mercedes mit der Diplomatennummer 0 vor. An dem ersten Wagen prangt der Stander der Republik Kirgisistan. Doktor Alikbek Dzhekshenkulov, Außenminister des Staates, steigt aus dem Wagen, knöpft seinen gut sitzenden dunkelblauen Zweireiher zu und geht auf das Haus der Stiftung zu. Dem gegenüber liegt die Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate im maurischen Baustil. Das Nebenhaus, wie ein stilisierter roter Leuchtturm gebaut, ist die Vertretung des Stadtstaates Bremen beim Bund. Der Ministermercedes wird einige Meter gefahren. Er steht zunächst zwischen Botschaft und Vertretung in der zweiten Reihe der zu der Zeit unbefahrenen Straße. Der kirgisische Fahrer entsteigt der Kalesche und zieht den Stander ab. Den legt er behutsam in den Kofferraum. In diesem Moment stürzt aus dem Eingangshäuschen vor der Botschaft der Emirate ein Schwarzer von einer privaten Bewachungsfirma. In Berliner Art und dem heimischen Dialekt raunzt er: „Hier wird nicht gehalten. Sofort weiter fahren.“

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