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Auszug aus:

Hans Dieter Baroth

 Als der Fußball laufen lernte:
 Tore, Triumphe, Tollheiten

Sachbuch, Essen 1992

1899

Werder Bremen zunächst in Grün-Rot

Am 1. Februar 1899 treffen sich 30 Burschen, um einen Fußballverein in der alten Hansestadt Bremen zu gründen. Da sie seit Herbst 1898 auf dem Stadtwerder trainieren und spielen, einigen sie sich auf den Namen Werder von 1899. Ein Drittel der Anwesenden wird in Ämter wie Vorsitzender, Platzwart etc. gewählt. Die bisherigen bunten Fahnen werden durch besenstielartige Stangen ersetzt, die mit weißen Leinenbändern verbunden sind. Die Sporttracht der jungen Werdermannschaft bei der Gründung 1899: Weiße Sweater mit großem Monogramm F.V.W. auf der Brust, weiße Hose mit grünroter Biese und schwarzen Strümpfen mit Borden in denselben Farben. Alle Spieler tragen, wie bei Schülern üblich, eine Mütze. Die Vereinsfarben von Werder Bremen sind zunächst grünrot. Der Kapitän der Elf trägt ein Samtkäppchen in den Vereinsfarben mit schmucker Troddel. Geübt wird dreimal in der Woche - mittwochs, am Samstag und sonntags.

Es ist der 6. März 1899 - in der Bayern-Metropole München wird schon seit einem Jahr Fußball gespielt. An diesem Tag jedoch gründet der Münchener Turnverein, vormals Verein für körperliche Ausbildung, eine eigenständige Fußballabteilung. "Die Sechziger" sind da. Als TSV 1860 München schreiben die Kicker dann deutsche Fußball- und Skandalgeschichte.

An der Weser tritt am 1. April 1899 der Verband Bremer Ballspielvereine ins Fußballerleben. Geburtshelfer sind Fußballverein Bremen, Fußballverein Germania, Allgemeiner Sportclub, Sportclub Hansa, Bremer Sportclub, Gründungsjahr 1891, Spiel und Sport aus dem Jahr 1896 und Werder. Das erste Protokoll verschwindet und bleibt der interessierten Nachwelt nicht erhalten. Es ist den Weg alles Irdischen gegangen.

Zum ersten Mal in der nun dreijährigen Vereinsgeschichte unternimmt die Elf des 1. Fußball-Club Pforzheim eine längere Reise innerhalb des süddeutschen Verbandsgebietes - zu Ostern 1899 fahren die Kicker in Blau-Weiß nach Hanau und Frankfurt. Bei Hanau 93 unterliegen die Schmuckstädter aus dem Südwesten mit 1:0, gegen Germania Frankfurt erringen sie überraschend einen 3:1-Sieg. Bei diesen beiden Spielen wirkt erstmals ein schmächtiger Mann mit, den die Kameraden nur Ille rufen. Es ist Artur Hiller, der 1908 zum ersten offiziellen Länderspiel gegen die Schweiz berufen und auch noch gegen England eingesetzt wird.

Ostern 1899 wird in Bonn am Rhein ein Fußballklub gegründet. Man nennt sich "Combinierte Bonner Fußballmannschaft". Schon wenige Wochen später schlagen diese Bonner im Schatten des Kölner Doms den dortigen "Internationalen FC" mit 1:3. Aus den "Combinierten" entwickelt sich zwei Jahre später der Bonner FV.

Köln: Spielverbot durch Militär

Den Internationalen FC haben am 6. Mai eine Menge junger Männer in Mannschaftsstärke im "Fränkischen Hof" unter dem vollen Namen "Internationaler Fußball-Club Köln 1899" ins Leben gerufen, aus dem Verein wird 1937 der VfL Köln 99 hervorgehen. Nach dem britischen Vorbild Aston Villa wählen die Jungen in der Jeckenhochburg am Rhein die Vereinsfarben dunkelblau zu hellblau.

International besetzt ist der IFCK durchaus, in seinen Reihen jagen der Niederländer de Ryter, der Franzose Le Heron und der Engländer Berk dem Ball nach. Aber noch im Gründungsmonat Mai, am 19., verschwindet das große I aus dem Namen, der inzwischen älteste Verein der Domstadt nennt sich nach wenigen Tagen seines Bestehens nur noch KFC 1899. Er wird in der Kaiserzeit den Fußball am Rhein dominieren.

Über die Babyphase der Kölner Kicker heißt es 75 Jahre später: "Der Fußball wurde in des Wortes wahrster Bedeutung zuerst am Neusser Tor gegenüber der heutigen Agneskirche getreten. Dann auf der Mülheimer Heide, bis die das Terrain beherrschende Militärregierung Spielverbot verhängte. Grund: der wochentags dort seine Lämmer weidende Schäfer beschwerte sich über die kahlen Stellen im Rasen, jagten doch auf dem weiten Gelände neben dem KFC auch noch mehrere andere Vereine dem oftmals gar nicht so runden Leder nach.

Der zweite Klub, aus dem später der VfL Köln 99 hervorgehen wird, entsteht im selben Wonnemonat Mai. Einige fußballfreudige Mitglieder des Kölner Turnvereins und neun aus den Reihen des "Sport- und Touristen-Club" gründen Borussia Köln. Die Vereinsfarben 1899 sind schwarzweiß längsgestreift. Preußen ist auch am Rhein in - deshalb die Farben und der Name Borussia. Der Duden definiert Borussia als Frauengestalt Sinnbild Preußens. Die Männer von Borussia Köln erweisen sich 1899 als wanderfreudig wider Willen. Zunächst kicken sie auf dem Exerzierplatz am Aachener Tor, danach, wegen Vertreibung, auf den Stadtwiesen. Auch hier verwiesen landen sie noch im selben Jahr auf der anderen Seite, in der Mülheimer Heide.

Der Rheinische Spielverband hat zum 13. Mai 1899 nach München-Gladbach zu seinem ersten Verbandstag gerufen und anschließend, für den 13., 14. und 15. Mai, zum "ersten großen Spiel- und Sportfest." Genau elf Vereine gehören dem ein Jahr alten Verband an. Das Spielfest auf den Wiesen weit vor München-Gladbach wird ein großer Erfolg: "91 Spielabteilungen aus den verschiedensten rheinischen Städten, darunter viele Spielvereine höherer Schulen und auch schon Damenspielvereine trafen sich ..., um in friedlichem Wettkampf ihre Kräfte gegeneinander zu messen; vor allem aber die Mannigfaltigkeit der Jugend- und Volksspiele der breitesten Öffentlichkeit vorzuführen. Obgleich der Festplatz etwa eine Stunde von der Stadt entfernt lag, hatten sich etwa 10 000 Zuschauer eingefunden, die den Vorführungen mit lebhaftem Interesse folgten", heißt es in einer Verbandschronik.

Wenige Seiten weiter wird festgehalten: "In der Folgezeit machte sich die propagandistische Wirkung des ersten Spielfestes in ganz Rheinland und auch Westfalen bemerkbar. In zahlreichen Orten entstanden neue Spielvereine und Spielabteilungen von Turnvereinen. In M-Gladbach allein bestanden ... 1899 etwa 20 Fußballvereine." Der Rheinische Spielverband hat nach dem ersten Verbandstag 19 Fußballklubs oder Turnvereine mit Fußballabteilungen als Mitglieder.

In Düren bei Aachen schaffen junge Geburtshelfer nicht einmal die notwendige Mannschaftsstärke. Auf Anregung des fußballbegeisterten Gymnasiallehrers Reichard gründen acht Pimpfe am 1. Juli 1899 in der Stadt einen zweiten Verein, den Fußball-Club Germania Düren. Sie sitzen an den Quadersteinen der träge dahinfließenden Rur und sind, wie es später in der Vereinsgeschichte heißen wird, "in heller Begeisterung und glücklicher Hemmungslosigkeit." Wettspiele trägt der Achter der Germania aus Düren im ersten Jahr nicht aus. Es ist die Geburt des späteren Vereins SG Düren 99.

Viktoria 89 Berlin gastiert mit seiner ersten Mannschaft Ostern 1899 bei beiden inzwischen berühmten Karlsruher Vereinen. Phönix Karlsruhe unterliegt dem Berliner Altmeister auf eigenem Geläuf mit 1:3. Der älteste Klub des Südens, der Karlsruher FV, verläßt zwar als 2:1-Sieger den Platz, der Fight ging aber nicht über die volle Distanz - bei starkem Regen wird er vorzeitig abgepfiffen.

Zuvor, in der Berliner Meisterschaft, hatte der BFC Preußen die Viktoria in einem Ligaspiel mit 4:2 besiegt. Als neuer Gegner der Etablierten meldete sich an der Spree der VfB Pankow. Viktoria Berlin muß sich am Ende der Frühjahrsspielzeit den Preußen beugen. Nach der Chronik der Viktorianer triumphierte hierbei "die Jugend über das Alter, das flache über das hohe Kombinationsspiel. Das hohe Spiel Viktorias kommt den langen Spielern Preußens entgegen." Viktoria 89 wird wiederum Meister - beim Cricket.

Zwei der drei Vorläuferklubs des späteren VfR Mannheim verlassen 1899 den Süddeutschen Fußballverband. Union Mannheim sieht in der Mitgliedschaft keinen Sinn, weil die Kicker ihr Spielbedürfnis gegen lokale Gegner befriedigen können. Und die Mannheimer Fußball-Gesellschaft 1896 verläßt den Verband, weil sie nach einem Spiel gegen den Karlsruher FV, das 1:1 endete, mit dem Gegner "in Zwistigkeiten geriet".

Für den 11. Juni 1899 lädt der bekannte Fußballpionier Walter Bensemann aus Karlsruhe die Mannheimer Kicker in die lokale Gaststätte "Liedertafel" ein. Die Anwesenden gründen nach Bensemanns Anregung den Mannheimer Fußballbund. Erster "Bundespräsident" wird der Ballförderer Professor Specht. Im Vorstand der Vereinigung sitzen die jeweiligen 1. Vorsitzenden und die Kapitäne der Mannschaften. Fünf Klubs gehören dem Verband an. "Der Zweck des Bundes war die Pflege der freundschaftlichen Beziehungen und Hebung des Fußballsports durch Bundesspiele und Auftreten gegen Disziplinlosigkeiten. Seine Farbe war die blau-weiß-rote Stadtfarbe; sogar eine Bundesfahne war in Erwägung gezogen." So beschreibt ein Historiker die Ereignisse in einer Festschrift des späteren VfR Mannheim.

Mannheimer Stadtmeisterschaft

Bundesspiele für die Mannheimer werden für den Oktober 1899 ausgeschrieben. Beteiligt sind die ersten und zweiten Mannschaften der Klubs. Im Grunde ist das eine Art Mannheimer Stadtmeisterschaft. Die MFG 96 wird mit 33:0 Toren erster Bundes-, also Stadtmeister. Die Ereignisse an der Neckarmündung werden für die Nachwelt festgehalten: "Die Spiele gingen nicht ohne Stockungen und Schwierigkeiten vonstatten, sodaß der Bundesvorstand reiche Arbeit zu leisten hatte. Säumige Vereine, 'Faul'-Spieler wurden verwarnt, ein Spieler wurde sogar 1/4 Jahr disqualifiziert, worauf Germania austrat. Auch befaßte man sich mit der Versicherung der Spieler und Übertritten während der Saison. Regelung der finanziellen Verpflichtungen und eine Sperrfrist von 14 Tagen (!) schätzte man...als ausreichende Vorbedingungen, wenn ein Spieler während der Spielzeit (!) in einen anderen Verein übertreten wollte. Auch die Amateurfrage stand einmal auf der Tagesordnung. Es lag der Antrag vor, nur Amateure im Sinne der Rudervereine, also Gehaltsempfänger oder Leute mit dem Einjährigenzeugnis zum Fußballspiel zuzulassen. Der Antrag wurde abgelehnt gegen den Fußballverein, der den so verstandenen Amateurparagraphen für seine Mitglieder anwandte. Die Undurchführbarkeit des Grundsatzes mußte der Verein an sich selbst aber verspüren, denn mangels Nachwuchses löste er sich nach einjährigem Bestehen auf."

Ausschluss wegen Spiels gegen bezahlte Kicker

Der Antreiber dieses Sports und Fußballmäzen Walter Bensemann organisiert in diesem Jahr 1899 in Karlsruhe ein Spiel deutscher Kicker gegen die Englische Football-Association. Gegen Bezahlung kommen die Briten. Der Süddeutsche Fußballverband verbietet die Begegnung. Veranstalter Bensemann kümmert sich nicht um das Verdikt. Er stellt die Elf auf. Drei Kicker kommen vom Karlsruher FV, drei von Frankonia Karlsruhe und wiederum drei aus Straßburg. Ergänzt wird die Truppe durch zwei Berliner. Festgehalten wird, daß die Engländer "Fußball in Vollendung" vorführten. Sie siegen mit 1:9. Der Süddeutsche Fußballverband schließt hiernach Bensemann und die beteiligten Aktiven aus seinen Reihen aus. Diesen Beschluß hebt er kurze Zeit später wieder auf.

In diesem Jahr wird in Südwestdeutschland bereits die erste offizielle Schiedsrichterliste erstellt. Drei der Pfeifenmänner stellt der Frankfurter FC Germania, zwei Hanauer FC 1893, je einer kommt von der Mannheimer Fußballgesellschaft 1896 und der Mannheimer Fußballgesellschaft Union, zwei schwarze Männer schickt der FV Pforzheim in die feindliche Sportwelt, drei Frankonia Pforzheim und jeweils ebenfalls drei der Karlsruher FV und Frankonia Karlsruhe. Vier Schiedsrichter stellt der Straßburger Fußball Verein und ebenfalls der Freiburger FC. Die Liste läßt bei diesen Klubs ein intaktes und gefestigtes Vereinsleben vermuten.

Osnabrück: Koks als Spielgerät

In der Bischofsstadt Osnabrück gibt es drei "vereinsähnliche Gebilde": Germania, Antipodia und Minerva. Gespielt wird, so eine Schrift für die Nachwelt, mit einem Stückchen Koks, einem Flicken oder alten Fahrradreifen. Am 17. April 1899 gründen die drei Straßenmannschaften den Fußball-Club Osnabrück, aus ihm wird später der norddeutsche Spitzenverein VfL Osnabrück. Einem Verband treten die Mitglieder des Klubs zunächst nicht bei. Die Kicker sind auch alle Leichtathleten. Das soll bei den Fußballern "überzüchtete Einseitigkeit verhüten".

Der im Vorjahr gegründete Fußballclub Bremerhaven wird am 1. Juli 1899 umbenannt in Fußballclub Bremerhaven-Lehe. Ihm sind mehrere Lehrer beigetreten. Die Vereinsgründer legen Wert darauf, daß nur Akademiker Mitglieder sein können. Noch im Monat der Namensveränderung sind die Bremerhavener Gäste beim Bremer Sportclub - bei ihm gehen sie mit 4:0 glatt baden.

Der Verband deutscher Ballspielvereine (Berlin) trägt am 4. Juni 1899 in Hamburg seinen ersten Städtekampf aus. Die Hanseaten schlagen die Spree-Städter mit 6:1. In der Chronik von Germnaia Berlin wird notiert: "Die Vorbereitungen für diesen Städtekampf waren wohl nicht mit der erforderlichen Sorgfalt getroffen, denn Berlin hatte ganz bestimmt ein Spielermaterial, das sich von Hamburg nicht schlagen lassen durfte."

Berlin: Erfolg mit Flachpaßspiel

Der BFC Preußen Berlin führt als erste deutsche Mannschaft das Kombinationsspiel und den Flachpaß ein. Preußen-Mitglied Heinrich Schlechta hält sich beruflich in England auf. Hier beobachtet er genau die Spielweise der Profis. Seine Erkenntnisse schreibt er wöchentlich auf rotem oder grünem Papier und schickt sie nach Berlin. Er legt seinen Briefen schauderhaft gedruckte Sportzeitungen aus dem Mutterland des Fußballs bei. Dringend rät er seinen Freunden vom BFC Preußen, daß der Ball vom "Empfänger" erst "getötet", das heißt gestoppt werden muß. Er müsse von Mann zu Mann wandern und niedrig am Boden gehalten, "statt auf gut Glück im hohen Bogen übers Feld - Richtung: feindliches Tor -spediert zu werden". Die Theorien aus England werden noch mäßig umgesetzt. Aber 1899 auch schon erfolgreich, denn der BFC Preußen löste Viktoria 89 als Berliner Meister ab. Mit seinem Flachpaßspiel.

Bremen: Elfmeter fällt in dieser Saison aus

An der Weser kommt es zu einem geregelten Spielbetrieb. Aus dem 2. Sitzungsprotokoll des Verbandes Bremer Ballspielvereine vom 17. August 1899: "...hatte obiger Verband in Kannes Restaurant eine Vertretersitzung, welche sehr zahlreich besucht war. Der erste Vorsitzende eröffnete die Sitzung, und das Protokoll der letzten Sitzung wurde genehmigt. Der Fußballclub Brema, welcher um Aufnahme in den Verband nachgesucht hatte, wurde einstimmig aufgenommen. Darauf wurden die Verbandswettspiele aufgesetzt und beschlossen, dieselben in zwei Klassen, nämlich A- und B-Klasse, auszufechten. Zur A-Klasse gehören folgende Vereine: Bremer Sportclub A, Bremer Sportclub B, Allgemeiner Sportclub von 1898 A, Spiel und Sport A, Werder A; B-Klasse: Germania, Brema, Spiel und Sport B, Allgemeiner Sportclub von 1898 B, Werder B, Bremer Sportclub. Der Übertritt des Siegers der B-Klasse in die A-Klasse und des Verlierers aus der A-Klasse in die B-Klasse bleibt dem Beschluß der Vertretersitzung nach der Saison überlassen. Die Platzgröße wurde auf mindestens 95:45 Meter festgesetzt. Die Dauer eines Wettspiels ist 2 mal 40 Minuten mit 10 Minuten Halbzeit. Es ist gestattet, aus der B-Klasse Ersatzmannschaften für die A-Klasse zu nehmen, jedoch nicht umgekehrt. Ferner wurde für jedes Wettspiel eine Wartezeit von 20 Minuten festgesetzt, erscheint ein Verein dann ohne triftige Gründe nicht, so gilt das Wettspiel als für diesen verloren. Jedes gewonnene Spiel zählt 2 Punkte, jedes unentschiedene für jeden der beiden Vereine 1 Punkt. Der Elfmeterstoß fällt für diese Wettspielsaison aus."

Stuttgart: “Kickers” statt “Aston Villa”

In Stuttgart interessieren sich in diesem letzten Jahr des ausgehenden Jahrhunderts immer mehr junge Männer für die von Turnern so genannte "Fußlümmelei". Einige jüngere Mitglieder des Cannstatter Fußball-Club 1890, in dem Rugby tonangebend ist, verlassen enttäuscht diesen Verein. Es sind genau 21 Teilnehmer, die am 21. September 1899 kurzerhand und aufrührerisch den Fußballclub Stuttgarter Cickers gründen. Einstimmig legen sie fest, daß die Cickers-Kicker "Assoziationsfußball und Leichtathletik unter Verzicht auf Rugby" betreiben. Dem verhandlungstüchtigen 2. Vorsitzenden der Cickers, Karl Levi, gelingt es, einen Teil des Stöckach-Spielplatzes für den jungen Klub zu sichern. Jeweils sonntags, in den Vormittagsstunden, dürfen die Cickers auf jenem Geläuf üben, auf dem danach und sonst Rugby dominiert.

Gewählt werden bei den Cickers in Stuttgart nicht nur ein erster und zweiter Vorsitzender, auch ein erster und zweiter Spielleiter sowie ein Sprecher der Passiven. Die erste Satzung der Schwaben ist sparsam und simpel verfaßt, enthält aber klar die Ziele der Sportler und wird angenommen. So heißt es, die Gelder dürfen nur zur Anschaffung von Spielgeräten und zur Repräsentation des Klubs verwendet werden. Ein anderer Passus legt unmißverständlich fest: "Das Aushelfen bei Wettspielen anderer Vereine ist verboten, ebenso die Mitgliedschaft bei anderen Stuttgarter Vereinen, die die gleichen Zwecke verfolgen."

Die Gründungsversammlung bestimmt auch die Vereinsfarben: "Die Spielkleidung ist folgendermaßen: schwarze Hosen, weiße Blusen mit blauer Streifung." Die Realität des Jahres 1899 läßt am Ende die Farben nicht zu. Diese Kluft ist in der Farbzusammenstellung nirgendwo zu kaufen. Eine Kommission sucht deshalb nach anderen Kombinationen. Die württembergischen oder städtischen Farben kommen nicht zum Zuge. Nach Mühen und Debatten beschließen die Vereinsgründer noch 1899, daß die Stuttgarter Cickers in Blauweiß um Siege kämpfen werden. Diese Entscheidung fällt, weil die zehn Jahre alte Berliner Viktoria das Vorbild der Schwaben ist - und die Spreestädter glänzen in blauweißem Dreß. Keine Chance haben im Gründungsjahr der Cickers die Anträge, den neuen Klub Viktoria oder gar Aston Villa zu nennen. Die ersten Gegner suchen sich die späteren Stuttgarter Kickers in Zeitungsanzeigen.

Der Austritt der Kickers-Gründer bedeutet nach neun Jahren das Ende des ältesten Vereins am Neckar. Die Mannschaften des Cannstatter Fußball-Clubs 1890 und des FV 93 treffen sich noch einmal, wie in besten Tagen, zu einem Spiel auf dem Stöckach in Stuttgart. Philipp Heineken, der Pionier und Historiker des Sportgeschehens: "Hier standen nun nach Schluß des Spieles, in einzelne Gruppen aufgelöst und sich unterhaltend, die Spieler beider Vereine durcheinander, die meisten gegenseitig Freunde, die sich seit der Zeit der Schule kannten oder seit Jahren miteinander oder gegeneinander Rugby gespielt und es durch dick und dünn für zehn lange Jahre geführt hatten, wie eine große Familie, bereit, sich die brüderliche Hand zum letzten Mal oder für immer zu reichen. Mit wehmütigen Gefühlen alter Zeiten gedenkend, verabschiedeten wir uns endlich und das war das letzte, was ich vom Cannstatter Fußball-Club sah und hörte, mit Ausnahme von ein paar Mitgliedern gelegentlich auf einem der Rugby-Tage, wo wir Cannstatt als Zeichen der Achtung für einige Jahre Sitz und Stimme einräumten..."

In der auf 35.000 Einwohner angewachsenen niederrheinischen Industriestadt Rheydt sehen im Sommer 1899 bei einem Spiel- und Sportfest die Schüler Josef Seuwesen und Gustav Limbach zum ersten Mal in ihrem Leben ein Fußballspiel. Die beiden sind begeistert. Sie interessieren auch ihre Klassenkameraden für den englischen Kampfsport. Ihr Schulleiter Professor Rolfs ist diesem Sport auch zugetan. Er stiftet seinen Jungen einen Fußball. Gekickt wird auf der Wiese des Rheydter Kaiserparks. Die Schülerkicker, die sechs Jahre später den Rheydter Spielverein gründen werden, schließen sich dem Turnverein von 1847 an.

Erstes Spiel von Werder Bremen

Am 10. September 1899 bestreitet Werder Bremen vor 17 Zuschauern auf der Spielwiese hinter dem Bürgerpark sein erstes Wettspiel - gegen den Allgemeinen Bremer Sportclub von 1898. Werder siegt mit dem knappsten aller Ergebnisse. Ein Augenzeuge: "Unser athletischer Mittelstürmer Hermann Kassens macht in der zweiten Halbzeit einen Durchbruch; er stürmt mit dem Ball über das Feld, umdribbelt seine Gegner, oder wirft sie einfach um und jagt die Lederkugel ins Tor!"

Am 17. September 1899 kommt es gegen "den rachedurstigen Gegner" zum Rückspiel. Werder hat durch die in der Region bekannten Rugbyspieler Bornemann und Dannemann Verstärkung bekommen und siegt 5:0. Beide Wettspiele von Werder Bremen begannen morgens um acht Uhr.

Erhalten bleibt das Protokoll der Monatsversammlung von Werder Bremen vom 29. September 1899. Die Vereinsmitglieder beschließen, aus der Klubkasse einen Spiegel, eine Lampe und eine Stiefelbürste anzuschaffen.

Weiter nördlicher, in Hamburg, spielt die Elf des SV St. Georg groß auf. Der Verband hat neue Gruppen geschaffen, Gegner sind Hamburg 88, Sperber und Eintracht. Weil diese jeweils zu Null geputzt wurden, spendet ein Vereinsgönner den Spielern am "Alten Lämmermarkt" eine Umkleidebude. Schwärmerisch heißt es Jahre später noch: "Wir konnten uns in derselben in drangvoll fürchterlicher Enge bequem umziehen." Tatsächlich ist so wenig Platz, daß Schwierigkeiten bestehen, aus dem jeweiligen Wäscheknubbel die richtigen Strümpfe, Hemden oder Hosen herauszubuddeln.

Berlin: Erster Platz mit Tornetzen und Tribüne

In Berlin erhält am Kurfürstendamm der BFC Preußen als erster Fußballklub einen umzäunten Platz mit einer Holztribüne. Die Anlage heißt Athletiksportplatz und hat als sensationelle Neuheit feste Tore mit Netzen. Der Rasen ist ausgezeichnet. Besitzer dieses Fußballplatzes ist der Brite Pitcairn Knowles. Er hat ihn auf seine Kosten anlegen lassen und überläßt die Anlage den 1899 aussichtsreichsten Berliner Klub, den Preußen. Ohne irgendwelche Geldlasten. Der geschäftstüchtige Engländer profitiert aber von den Eintrittsgeldern. Preußen eröffnet das Fußballstadion am 4. Dezember 1899 gegen eine Prager Studentenelf. Beim Verband wird der Platz am Kurfürstendamm für den BFC Preußen angemeldet. Bei der Verbandsleitung jedoch stoßen die Preußen auf, wie sie es nennen, kindischen Widerstand. Herr Knowles wird als skrupelloser Profitmacher bezeichnet und das Schlagwort vom "Sportplatz auf Aktien" geprägt. Viktoria 89 tritt zu einem Ligaspiel einfach nicht an. Das Publikum muß verärgert abwandern, denn Viktoria hat den Boykott vorher nicht angekündigt. Die Preußen vermuten dahinter, daß die zahlenden Zuschauer abgeschreckt werden sollen.

Gut geht es dem Fußballenthusiasten im Großraum Hamburg. Das Militär hat den Fußballern gestattet, auf dem Exerzierplatz, kurz Exer genannt, in Altona zu spielen. Eintritt wird nicht erhoben. Mit Ausnahme der Germania - Spielort Radrennbahn am Mühlort - kicken alle Klubs in Altona. Oft gibt es mehrere Spiele, auch der 1. Liga, gleichzeitig nebeneinander - alle sind kostenlos zu bewundern. Altonas Stadtverwaltung läßt 1899 hier eine Schutz- und Erfrischungshalle bauen. Die Vereine bekommen damit Umkleideräume. Die Spieler brauchen die Torstangen nicht mehr in bis zu 15 Minuten langen Fußmärschen herbeizuschleppen. Bis 1918 bleibt der Exer vielbesuchter Fußballplatz.

In der Leinenweberstadt München-Gladbach gründen am 17. November 1899 verärgerte ehemalige Mitglieder des F.C. Germania den Fußballklub F.C. Borussia. Später nennen sie sich Borussia 1900, noch später Borussia Mönchengladbach. Das offizielle Gründungsdatum wird später in das neue Jahrhundert verlegt. Nach dem 17. November 1899 trägt die junge Borussia vier Spiele aus. Der erste wird sofort mit 2:1 gegen Blitz gewonnen. Danach gibt es Siege gegen Germania und den Rheydter F.C. Die Resultete selbst werden nicht verewigt. Eine Niederschrift aus dem Jahre 1899: "Ein Spiel unserer Mannschaft gegen Victoria wird abgebrochen bei einem für uns günstigem Stande." Vier Jahre muß die Borussia noch experimentieren, dann kann sie 1903 einen geregelten Spielbetrieb aufnehmen.

Wenige Wochen nach der Gründung vom 17. November 1899 zwingen "widrige Verhältnisse" die Vereinsführung, "sich mit der bestehenden Spielabteilung der Mar. Jüngl. Congr. M.Gladbach-Eicken unter Beibehaltung des Namens Borussia zu vereinigen."

Im pfälzischen Frankenthal siedelt im November 1899 ein Oskar Karcher aus Freiburg an. Er ist ein Verwandter des Besitzers der Zuckerfabrik Frankenthal und nicht armer Leute Kind. In seiner Heimatstadt Freiburg war Oskar Karcher Mitglied des dortigen FC. In Frankenthal zeigt dieser Karcher an einem Novembertag 15 jungen Burschen einen Lederball. Bis dahin hat noch keiner von ihnen so ein Ding gesehen. In einer Chronik heißt es, dieser Oskar zeigt vor den begeisterten Zuschauern "akrobatische Fertigkeit" und begeistert sie für das Fußballspiel.

Lipsia Leipzig beurteilt die Situation im Jahr 1899 folgendermaßen: "Nach und nach kamen nun die Verbandsspiele in Fluß, bei denen Lipsia infolge der geschwächten Mannschaft gegen die starken Vereine Wacker, VfB und LBC nicht besonders günstig abschnitt. Als im Herbst 1899 die Soldaten zurückkehrten, bedeutete das eine erhebliche Verstärkung von Lipsias Mannschaft, was in besseren Resultaten zum Ausdruck kam. Allerdings erreichten nicht alle Spieler ihre frühere Leistungsfähigkeit wieder, weil der ganz anders geartete Exerzierplatz und die lange Pause das Können einzelner doch mehr oder weniger beeinträchtigt hatten."

Als unverklemmte Huldigung gegenüber dem Mutterland des Fußballs hat auch Leipzig ab 1899 einen FC Britannia in seinen Mauern; später, nach dem Ersten Weltkrieg, wird daraus der SV 1899 Leipzig.

Im Winter 1899 verliert Werder Bremen die Spielwiese. Die Kommune sperrt den gesamten Stadtwerder. Er bleibt ab sofort allein den schwarzweißen Milchkühen vorbehalten. Die Kicker erwerben ein kleines Wiesenstück hinter einer Gastwirtschaft. Dieses Gelände wird mit einem kleinen Drahtverhau eingezäunt, weil zu beiden Seiten ein Wassergraben verläuft.

Hertha 92 (Berlin) hat eine starke Jugendelf aufgebaut. In einem Vergleichstreffen mit der Ersten schlagen die Jungen die Alten mit 7:0.

Düsseldorf: Vereinslokal “Rheinlust”

Ein Paul Cremer gründet 1899 zusammen mit einigen Herren aus Leipzig und Süddeutschland am Rhein den Düsseldorfer Fußballklub. Aus der Zeitung erfahren rheinische Burschen von der Vereinsgrüdung. Sie selbst führen aber auch einen Klub gleichen Namens. Geschlossen treten die Mitglieder des alten Düsseldorfer Fußballklubs dem konkurrierenden neuen Düsseldorfer Fußballklub bei. Das ist für sie preiswerter. Ihr Vereinchen konnte nicht leben und nicht sterben - es ergibt sich.

Düsseldorf 99 spielt auf den Rheinwiesen vor Oberkassel, dem Zentrum der Stadt gegenübergelegen. Das Ausflugslokal "Rheinlust" wird Vereinsheim. In Zeitungsanzeigen werben die Fußballer um Mitwirkende. Einige in Düsseldorf lebende Engländer schließen sich an. Entsprechend den Gewohnheiten aus ihrer Heimat stolzieren die Briten vor Spielen "im Sportkostüm" durch die Innenstadt in Richtung Rhein. Zumindest auf diese Weise sorgten die Kicker an der Düssel für viel Aufmerksamkeit.

Berliner importiert Flachpaß nach Dortmund

Dem seit 1897 dahinwelkenden, 1895 gegründeten Dortmunder Sport-Club (DSC), wird im Herbst des Jahres neues Leben eingehaucht. Der Beatmer kommt aus Berlin. An der Kgl. Maschinenbauschule der Bierstadt studiert Karl Lüdecke, der vorher beim Berliner FC Preußen den Flachpaß erlernt hat. Spielen will er in Dortmund nicht. Doch als er einem Kampf des Essener Sportvereins zuschaut, hat es ihn wieder gepackt. Er bittet die Kicker aus der Kruppstadt, bei ihnen spielen zu dürfen. Wochen später kämpft er sonntags für mehrere Vereine. Das ist zulässig und auch nicht ungewöhnlich. Von seinem Vermieter Walter Sanß erfährt der Berliner Karl Lüdecke, daß es in der alten Hansestadt schon einmal einen Fußballverein gegeben habe. Zusammen mit Sanß und Lüdecke gründen genau elf Männer erneut den DSC. Wie später in Bundesligamannschaften üblich, ist 1899 kaum ein Dortmunder in der Mannschaft - für den DSC spielen ein Hamburger, ein Kicker hat Altona als Heimat, einer ist aus Frankfurt an der Oder, ein anderer aus der Schmuckstadt Pforzheim, fünf von ihnen sind Schweizer.

Der DSC spielt zuerst gegen eine Mannschaft der Maschinenbauschule Hagen, was belegt, daß der Fußballsport von den gebildeten Bürgersöhnen getragen wird. Bei einem Treffen auf der Mülheimer Heide in Köln bestreitet der Berliner Karl Lüdecke in Dortmund am selben Tag für den DSC und den Essener Sportverein je einen Fight. Dortmunds Gegner dieser Tage sind der Spiel- und Sportclub Schalke, der Duisburger Fußballclub und die Mannschaft des Duisburger Turnvereins. Mit dessen Chef Gottfried Hinze übt der Berliner in Dortmund, Karl Lüdecke, mit Mannschaften aus dem Rheinland und Westfalen den Flachpaß und das Kombinationsspiel.

Am 10. November 1899 tritt der Dortmunder SC in den Rheinischen Spielverband ein. Nach einem Jahr verläßt Karl Lüdecke die Bierstadt wieder, wissend, daß an Rhein, Ruhr und Emscher der Flachpaß zumindest schon geübt wurde.

Rostock: Nach Schulabschluß weitere Mitgliedschaft möglich

Veränderungen beim Rostocker Sport-Club. Er hebt die Regel auf, daß Schüler dann aus dem Verein ausscheiden müssen, wenn sie das Gymnasium verlassen. Ferner beschließt der Vorstand die Einführung von einheitlichen Hemden als Kluft, statt der bisherigen Armbinden. Hiermit soll "die Lust am Austritt" gebremst werden.

Im November 1899 findet an der Donau der erste Städtevergleich Wien gegen Berlin statt. Die Spree-Athener siegen bei den Wienern mit 0:2.

In Ulm/Donau wird erstmals für den Fußballsport geworben. Jugendliche über 16 Jahre sind gefragt. Als Gegenreaktion kommen auch öffentliche Bedenken, Fußball sei ein rohes Spiel. Die Ulmer Kicker trainieren 1899 sehr fleißig vom Frühjahr bis in den späten Herbst. Es wird aber kein Wettspiel ausgetragen. Bei den Kickern rumort es deshalb. Die Vereinsleitung erklärt öffentlich, daß Wettspiele nicht das erstrebenswerte Ziel seien, sondern die Übung. Das gilt in erster Linie für die Turner. Bei Fußballern sei das anders, räumt die Führung ein.

Im Frankfurter Stadtteil Bornheim gründen 30 Burschen einen richtigen Ballklub, nachdem sie ein Jahr ohne alle Regeln auf den Wiesen gespielt haben. Sie nennen ihn Fußballsportverein (FSV) Frankfurt. Neunzig Jahre später heißt er immer noch FSV und fusioniert nie während dieser Zeit - nur wenige Fußballvereine in Deutschland behalten über 90 Jahre lang unverändert einen Namen bei.

Auf der Frankfurter Hundswiese, dem Bolzplatz der Main-Metropole, gibt es 1899 schon mehrere Konkurrenten. Aus der Germania von 1894 treten Unzufriedene aus und gründen die Victoria. Der umtriebige Walter Bensemann versammelt Tatendurstige um sich und ruft in Frankfurt die Kickers ins Leben; wieder gibt die Germania Aktive ab. Ebenfalls das Licht der Hundswiese erblickt der Bockenheimer Fußballclub 99, später unter Rot-Weiß Frankfurt bekannt.

Berlin: Begeisterung über englisches Gastspiel

Exakt 20 Stunden dauert die Fahrt in einem Wagen der dritten Klasse der Eisenbahn, in dem die Berliner Stadtauswahl Budapest erreicht. Ankunft am Samstag abend. Sonntag vormittag siegen die Berliner 8:0, am Nachmittag desselben Tages gar 10:0, noch am Abend beginnt die strapaziöse Rückreise, damit die Übernachtungskosten gespart werden können.

"Hieran schließt sich die größte Sensation des vergangenen Jahrhunderts an: das Erscheinen der ersten repräsentativen englischen Mannschaft in Berlin mit den glanzvollsten Namen der damaligen - und auch späteren - englischen Fußballgeschichte", heißt es 1989 in der Festschrift von Viktoria 89 zum 100jährigen Bestehen des Vereins.

"Sie führt uns ihre Kunst vor auf dem neu angelegten Platz neben der alten Kurfürstendamm-Rennbahn und spielt dort die Berliner in Grund und Boden. Sie offenbart eine ganz neue Kunst, die flache Kombination, das Zuspiel an den Hintermann, das exakte Stoppen des Balles usw... Eigenschaften, die man damals bei dem guten, hohen altdeutschen Spiel absolut nicht kannte.

Man bewunderte da den unvergleichlichen Bassel am rechten Flügel, die berühmten Verteidiger von Aston Villa, Cabtree und Bach von Sunderland, den langen Läufer Stanley Briggs, Forman am linken Flügel, den kleinen Holl und den prächtigen Chadwick (1914 Trainer bei der Holländischen Nationalmannschaft), den Chorinthiansläufer Wreford-Brown u.a.m. Die Spiele gingen mit 2:13 und 2:10 verloren.

Diese Begegnungen bedeuten einen völligen Umschwung der Ansichten über das Fußballspiel, denn begreiflicherweise suchte man jetzt den Lehrmeistern nachzueifern und begann, das flache Spiel zu pflegen."

Köln: Diskussion über Meisterschaftspiele

Auf dem 3. Kongreß des Rheinischen Spielverbandes am 14. Dezember 1899 im Schatten des Kölner Domes wird darüber diskutiert, ob Meisterschaftsspiele eingeführt werden sollen oder nicht. Die Mehrheit der Deputierten vertritt die Ansicht, eine so wichtige Entscheidung solle nicht "übers Knie gebrochen werden." Auch schon in der Kaiserzeit ist es Sitte, wenn nicht entschieden werden soll, erst einmal eine Kommission zum Thema zu bilden. Später heißt so eine Einrichtung Arbeitsgruppe. Die Herren vertagen sich auf April 1900, wiederum in Köln. Dann sollen Pläne zur Einführung von Ligaspielen vorgelegt werden.

Karl Mintenbeck, der in den Zeitungen des Ruhrgebietes nach Sportberichten suchte, wird für das Jahr 1899 mit einer Überraschung fündig, es muß in Dortmund einen weiteren Fußballverein geben. Am 21. Dezember berichtet die örtliche Zeitung, daß ein Ruf an die Jugend "nicht ungehört verhallte, wie von Pessimisten phrophezeit wurde." Weiter heißt es an diesem Tag: "Unter der Leitung eines auch anderwärts bekannten, hervorragenden Spielers machte die Ausbildung der neuen Kräfte tüchtige Fortschritte." Über Spielgegner: "Am Orte fand sich ein solcher nicht. Erfreulicherweise erklärte sich da der um die Hebung des Sports in Essen hochverdiente Essener Sportverein bereit, den Dortmundern diese Gelegenheit zu geben ... Am Sonntag kam dieses Spiel zustande auf der Wiese an der Funkenburg. Der Essener Sportverein, im Frühjahr gegründet, ist bereits weit über Essens Weichbild hinaus bekannt geworden, und war die den Dortmundern gestellte Aufgabe keine leichte, zumal noch in letzter Sekunde ein Spieler absagen mußte. Die Gegner standen also, da ein Ersatz nicht gefunden werden konnte, wie 11 zu 10... Nur ein halb Fuß hoch liegender Schnee störte zu Anfang sehr ..." Eine Menge Zuschauer stand am Spielfeldrand. Das Ergebnis teilt das Blatt nicht mit. Gar nicht unüblich 1899.

Begegnungen zwischen zwei Mannschaften waren in erster Linie zum Ende des Jahrhunderts auch Werbeveranstaltungen. Als der Essener Sportverein 1899 noch im Gründungsjahr in der Krupp-Stadt auf dem Platz am Haumannshof gegen den FC München-Gladbach angetreten war, sahen auch einige Aktive vom Essener Turnerbund (ETB) zu und waren von der Engländerei angetan. Sie wollten auch Association in ihrem Verein einführen. Über den Turneralltag der Enthusiasten heißt es in der Chronik des ETB 51 Jahre danach: "In der deutschen Turnerschaft fand das neue Fußballspiel wenig Resonanz. In völliger Verkennung der Grundsätze Jahns glaubte man in dieser neuen Sportart eine Konkurrenz aufkeimen zu sehen, die darüber hinaus noch eine vom Ausland eingeführte Modetorheit sei. Dazu trat noch der heftigste Widerstand aus den Kreisen der Öffentlichkeit. So kam es, daß auch die junge Spielabteilung des Turnerbundes zunächst mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte." Das heißt, ein Jahr lang bohrten und agierten die vom Fußball infizierten Turner, bis sie eine eigene Mannschaft ins Feld schicken konnten - nach diesen langen Geburtswehen entstand dann, angeregt durch das Wettspiel Essener Sportverein 1899 gegen den FC München-Gladbach, der ETB Schwarz-Weiß Essen.

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